Meissen: Das erste europäische Porzellan

I. Die Geschichte des Meissner Porzellans

Alles beginnt mit der steigenden Begeisterung der Menschen für das chinesische Porzellan im 17. Jahrhundert. Diese Faszination wird ebenfalls von August dem Starken geteilt, der Kurfürst von Sachsen, der daraufhin, um einer wirtschaftlichen Misere zu entkommen, seine Alchemisten beauftragt, das Geheimnis zu entschlüsseln, wie man aus gewöhnlichen Metallen Gold herstellt. Bei diesem Auftrag ist es im November 1707 Johann Friedrich Böttger somit eher zufällig nebenbei gelungen, ein rotes Steinzeug oder auch „Jaspisporzellan“ genannt, herzustellen. Nun muss lediglich noch der rote Ton durch weißes Kaolin ersetzt werden, denn der hohe Schmelzpunkt des Kaolins von 1.450 Grad Celsius ermöglicht es, besonders zarte dünne Formen zu erschaffen und am 15. Januar 1708 kann tatsächlich das erste weiße europäische Porzellan gebrannt werden. Somit gründet August der Starke am 6. Juni 1710 die erste europäische Porzellanmanufaktur, die „Königlich-Polnische und Kurfürstlich-Sächsische Porzellan-Manufaktur“. Um die Echtheit und Originalität des Porzellans zu wehren, werden ab 1722 die gekreuzten Schwerter, an das kursächsische Wappen anlehnend, verwendet. Diese gelten bis heute noch als eines der weltweit ältesten, fortwährend verwendeten Markenzeichen.

Meissner Kaffeeservice aus dem 20. Jahrhundert, Set aus 15 Kaffee-Porzellan-Gegenständen, zu Verkaufen auf Antikeo
Meissner Kaffeeservice aus dem 20. Jahrhundert, Set aus 15 Kaffee-Porzellan-Gegenständen, zu Verkaufen auf Antikeo

Der Einfluss Chinas

Im 18. Jahrhundert herrscht in Europa eine allgemeine Vorliebe für alles chinesisch angehauchte, insbesondere natürlich auch das Porzellan. So lässt sich, die ebenfalls bei Meissen zu beobachtende Vermischung ostasiatischer Impulse und europäischer Traditionen erklären. Ein berühmtes Beispiel hierfür, ist das Meissener Zwiebelmuster, dass eben eigentlich keine Zwiebel zeigt, sondern Melone und Pfirsich.

Die plastische Periode

Zu jener Zeit entstehen zahlreiche Großplastiken im barocken Stil. Dabei konzentrieren sich die Modelleure auf die Herstellung von lebensgroßen Tierplastiken. Die Porzellan Menagerie einheimischer und exotischer Tiere des Kurfürsten, sowie die Kunst- und Naturalienkammern und das Wildgehege des Moritzburger Jagdschlosses dienen dabei als Orientierung. Jedoch kennen die Künstler gewisse exotische Tiere wie Rhinozeros nur aus Erzählungen und müssen sich daher hier ihrer Kreativität bedienen. Die Herstellung einer lebensgroßen Tierplastik bleibt bis heute in der Meissner Produktion ein wirkliches Ereignis.

In der Porzellangestaltung, besonders der von Tafelaufsätzen, spiegelt sich absichtlich ebenfalls die zur Schaustellung der Macht, wirtschaftlichen Stärke und das Kulturniveau des sächsischen Hofes wieder. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist „Der große Ehrentempel“ von Johann Joachim Kaendler aus dem Jahre 1748.

Porzellanfigur "Graf Brühls Schneider auf einer Ziege", gefertigt von Kaendler aus dem 19. Jahrhundert, zu Verkaufen auf Antikeo
Porzellanfigur “Graf Brühls Schneider auf einer Ziege”, gefertigt von Kaendler aus dem 19. Jahrhundert, zu Verkaufen auf Antikeo

II. Die Meissner Manufaktur: Stil und Motive

Die Schneeballblüten

Das Motiv der Schneeballblüten (bot : Viburnum opulus) markiert den Übergang zu einem opulenteren europäischen Stil, der sich eigenen Motiven bedient und an den Geschmack des Rokokos angelehnt ist. Ursprung ist hier der französische Hof und der Louis XVI-Stil. 1739 kreiert Kaendler auf Geheiß von August III. ein Service, mit dem der König seiner Gemahlin Maria Josepha von Österreich seine Liebe zeigen möchte. Hier handelt es sich ebenso wieder um eine neue technische Herausforderung, da jede einzelne Blüte von Hand geformt wird, mit einem spitzen Werkzeug auf das Gefäß aufgetragen wird und anschließend von Hand bemalt wird. Dieser Prozess gilt richtungsweisend für andere europäische Manufakturen.

Das Schwanenservice

1737 wird das Schwanenservice von Heinrich Graf von Brühl in Auftrag gegeben, jedoch wird es noch fünf Jahre bis zu seiner Vollendung dauern. Niemals zuvor war ein Ensemble in diesem Umfang und so reich an opulenter plastischer Gestaltung geschaffen worden. Das für einhundert Personen konzipierte Service umfasst mehr als 2.200 Einzelteile. Das Hauptmotiv der dekorativen Ausarbeitung sind Schwäne, die sowohl als Flachreliefs wie auch als plastische Figuren, als Gefäße in Schwanengestalt auftauchen. Zahlreiche andere Gestalten, der griechischen Mythologie entnommen, beleben zudem das Service. Für diese lässt sich Kaendler von Zeichnungen und Kupferstichen aus Dresden inspirieren. Jedes Gefäß stellt eine Variation des mythologischen Leitmotivs dar und wird auf die barocke Weise interpretiert. Das Schwanenservice ist ein bildgewaltiges Ensemble aus Formen, üppigen Dekorationen und Lichtspielen.

Die Jagdmotive

Schon um 1722 werden Jagddekore ins Repertoire der Meissen Manufaktur mit aufgenommen. Die mit Tier- und Jagdmotiven verzierten Vasen, Geschirre und Pokale gehören zum Inventar der vielen Jagdschlösser August des Starken. Hier sind nicht nur naturgetreue Abbildungen gefragt, sondern auch fantasievolle Kompositionen. Seit Ende des 18. Jahrhunderts fokussieren sich die Meissener Jagdmotive darauf, die Tiere in der Idylle ihres Lebensraums zu zeigen und dürfen in der naturbezogenen bürgerlichen Speise- und Tafelkultur nicht fehlen. In der Meissener Formgestaltung spielt das Thema Jagd und Natur ebenfalls eine bedeutende Rolle. Dies kann man beispielsweise an den im Jahre 2004 von Jörg Danielczyk geschaffenen Jagdleuchtern, mit dünnem Eichenlaub aus Porzellan, ausmachen.

Meissner und die Mythologie

Bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts bedienen sich die Künstler der antiken Mythologie als ergiebige Motivquelle für das eigene Schaffen. Im Klassizismus halten sich Ornamente und Dekormotive bewusst an die architektonischen Vorlagen der Antike. Für Meissen steht dabei vor allem die Formgebung von Servicen, aber auch schmückende Ornamente wie Friesen, Festons und Girlanden im Vordergrund. Winckelmanns Sicht auf die Antike und die antiken Skulpturen der königlichen Sammlung im japanischen Palais und in der Osthalle des Stallhofes in Dresden dienen dabei als Vorlagen.

Bierkrug, gefertigt von Winckelmann ca. 1722, hartplastisches Porzellan mit vergoldetem Silber
Bierkrug, gefertigt von Winckelmann ca. 1722, hartplastisches Porzellan mit vergoldetem Silber

Die Blütezeit Meissens wird unterbrochen vom Siebenjährigen Krieg zwischen 1756 und 1763. Die mit ihm verbundenen Entbehrungen erschweren zudem den Fortbestand der Manufaktur. Anschließend kommt der französische Modelleur Michel Victor Acier nach Meissen und prägt unvergleichlich die Marcolini-Periode, benannt nach Graf Marcolini, der 1774 Direktor wird, der Manufaktur. In dieser Zeit verdrängt eine strenge Orientierung an Architektur- und Zierformen der Antike die barocke Farbgebung zugunsten einer Ton-in-Ton-Malerei. Sogar auf die Glasur wird eine Zeit lang verzichtet.

III. Die neue Technik zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Die Folgen der Industrialisierung

Mit der Entstehung des Königreichs Sachsens firmiert die Manufaktur ab 1806 als „Königlich-Sächsische Porzellan-Manufaktur“. Heinrich Gottlob Kühns entwickelt 1817 die neue Unterglasurfarbe Chromoxidgrün, mit deren Hilfe ein neuer populärer Dekor geschaffen wird, der „Volle grüne Weinkranz“. Außerdem führt Kühn den Rundofen ein und erfindet 1827 das sogenannte Glanzgold. Dies ist eine Vergoldungstechnik, bei der anders als bei Poliergold keine Politur nach dem Dekorbrand erforderlich ist. Hier lassen sich erstmals auch detailreiche Reliefs vollständig vergolden.

Mitte des 19. Jahrhunderts steigt der Konsum des Bürgertums. Porzellan ist nun nicht mehr ausschließlich dem Adel zugänglich. Somit verlangt die wachsende Kundschaft auch nach neuen Formen und Dekoren. In dieser Periode des Historismus entstehen zahlreiche Porzellane in verschiedenen Neostilen. Der elementarste dieser Stile ist das Neo- bzw. Zweite Rokoko, das seine Wurzeln in der Üppigkeit und vielfältigen Formensprache des Meissner Barock hat. Mit diesem Stil beginnt die zweite Blütezeit der Manufaktur. Besonders hervorzuheben sind an dieser Stelle, die Prunkvasen, Gefäße und Figuren von Ernst August Leuteritz, dem die Manufaktur unter anderem die „Schlangenhenkelvasen“ verdankt. Das imposante Gefäß entwickelte sich zu einem Klassiker der Manufaktur.

Schlangenhenkelvase, ca. 1924-1934
Schlangenhenkelvase, ca. 1924-1934, zu Verkaufen auf Antikeo

Moderne Kunst

Viele fortschrittliche Künstler suchen im frühen 20. Jahrhundert einen Ausweg aus der konservativen akademischen Kunstwelt und finden diesen im Jugendstil. Diese Bewegung zeichnet sich ebenfalls mit Blick auf das Porzellan ab und es entsteht eine dem modernen Zeigefühl entsprechende Porzellankunst. Beispiele hierfür sind die „Hentschelkinder“ von Julius Konrad Hentschel oder die „Kugelspielerin“ von Walter Schrott. 1907 wird der Dresdner Fürstenzug mit Meissener Porzellan eingeweiht. Eine Wandgestaltung, die aus 25.000 handbemalten Platten besteht. Es ist das größte keramische Wandbild der Welt.

1919 erfolgen die Nacherfindung und der Eintrag der Bezeichnung „Böttgersteinzeug“ in die Warenzeichenrolle des Patentamtes Berlin. Das ebenfalls auch als Feinsteinzeug bezeichnete Material beschreibt keramische Fliesen mit sehr geringer Wasseraufnahme, aber auch Figuren und Gefäße.

Die jahrhundertlange Geschichte der Manufaktur dient den Künstlern stets als Quelle der Inspiration. Formal lehnen sie sich an historische Modelle an und greifen auf traditionelle Techniken für den künstlerischen Ausdruck zurück, setzen diese aber stets in einen neuen Kontext.